Lohnt sich das?

Lohnt sich das?

Der STANDARD-Podcast über Geld

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00:00:00: Willkommen zu "Lohnt sich das?" der Standard-Podcast über Geld.

00:00:21: Mein Name ist Annika Dang.

00:00:23: Nicht nur die aktuelle Nachrichtenlage, sondern auch der Aktienmarkt ist von globalen

00:00:28: Unsicherheiten geprägt.

00:00:30: Doch das muss nicht nur ein Nachteil sein.

00:00:32: Welche Rolle Finanzbildung dabei spielt und wie innovative Ideen wie ein europäischer

00:00:37: Pensionsfonds Anleger*innen neue Wege eröffnen könnte?

00:00:41: Darüber spreche ich heute mit Philipp Wackerbeck.

00:00:45: Er ist Partner bei der Strategieberatung von PWC Strategy & Deutschland.

00:00:50: Hallo Herr Wackerbeck.

00:00:51: Hallo Frau Dang, schönen guten Tag.

00:00:53: Bevor es losgeht noch ein wichtiger Hinweis an unsere Hörder*innen, wenn euch unser Podcast

00:00:58: gefällt, dann abonniert uns am besten gleich noch bevor es losgeht auf Spotify, Apple Podcast

00:01:03: oder wo auch immer ihr uns hört.

00:01:05: Dann verpasst ihr auch künftig keine neue Folge mehr.

00:01:08: Herr Wackerbeck, Sie haben kürzlich gemeinsam mit der Association for Financial Markets in

00:01:13: Europe eine Studie zu Europas Aktienmarkt durchgeführt.

00:01:17: Was war denn der Anlass dafür?

00:01:19: Ja, das waren im Prinzip zwei Punkte, die uns für Anlass haben, diese Studie durchzuführen

00:01:25: und zwar zum einen mit dem Blick auf die Zahlen, haben wir gesehen, dass es in Europa ganz

00:01:29: klar Veränderungen am Aktienmarkt braucht.

00:01:33: Wir haben insbesondere die USA und Europa mal verglichen und wenn man sich die Größe

00:01:38: der Volkswirtschaften anschaut, sieht man, dass reale Bruttoinlandsprodukt ungefähr

00:01:42: gleich groß ist.

00:01:43: Das sind 19 Billionen Euro, sowohl in den USA als auch in Europa, aber die Aktienmärkte

00:01:49: in den USA sind ungefähr dreieinhalbmal so groß wie das BIP und in Europa macht der

00:01:55: Aktienmarkt nur 80 Prozent aus.

00:01:57: Spannenderweise in einzelnen Ländern noch ein Stück weit weniger, Österreich ist sogar

00:02:02: noch deutlich unter dem europäischen Durchschnitt und das Ganze zeigt sich dann auch wiederum

00:02:07: in der Anzahl der Börsengänge, die deutlich höher sind in den USA, das Volumen ist deutlich

00:02:12: höher in den USA und der andere Aspekt, den wir uns angeschaut haben, ist, dass wir natürlich

00:02:18: aufgrund der gesamtwirtschaftlichen makroökonomischen geopolitischen Entwicklung ein starkes Momentum

00:02:25: im Markt sehen.

00:02:26: Wir haben eine hohe transatlantische Instabilität, die wir beobachten, insbesondere seit die

00:02:33: Trump-Predierung das Ruder übernommen hat und das verstärkt natürlich in Europa auch

00:02:37: den Bedarf nach finanzieller Unabhängigkeit.

00:02:40: Die geopolitischen Spannungen führen dazu, dass Europa wirtschaftlich verletzlicher ist

00:02:46: und finanzielle Souveränität zu einer strategischen Notwendigkeit wird.

00:02:50: Wir haben natürlich in Europa auch enorme Investitionsbedarfe im Bereich Infrastruktur,

00:02:55: im Bereich Verteidigung, in der Digitalisierung, in der Energietransformation, um nur einige

00:03:00: Beispiele zu nennen und hier besteht natürlich die Notwendigkeit auch mehr Geld zu investieren.

00:03:05: Dafür brauchen wir auch Eigenkapital, dafür brauchen wir auch Aktienmärkte und deswegen

00:03:09: wollten wir mal genauer reinschauen, was eigentlich notwendig ist, um die Aktienmärkte

00:03:16: auch relevanter zu machen, um einen Beitrag zu leisten, eben gerade um diese Problembereiche

00:03:22: zu adressieren.

00:03:23: Wie haben Sie die Studie denn genau angelegt, wie kann man sich das vorstellen?

00:03:27: Wir haben zwei Sachen gemacht, wir haben zum einen natürlich eine umfassende Datenanalyse

00:03:32: gemacht, wie das auch in anderen Studien durchaus regelmäßig gemacht wird, Sie haben vielleicht

00:03:37: auch den Draghi-Report noch vor Augen, der ja auch vor so knapp anderthalb Jahren veröffentlicht

00:03:42: wurde, mit sehr, sehr vielen Daten, was in Europa eigentlich notwendig ist, was wir

00:03:46: tun müssen, wo und wie wir investieren müssen und was der für notwendig ist.

00:03:50: Wir haben aber nicht nur die Daten sprechen lassen, sondern auch die Menschen zur Sprache

00:03:55: kommen lassen dahinter und haben eine ganze Reihe, nämlich über 40 sehr ausführliche

00:04:00: Experteninterviews durchgeführt, mit einer ganzen Reihe von unterschiedlichen Marktteilnehmern,

00:04:05: das sind zum einen mit den Unternehmen selbst gesprochen, die neu an die Börse gehen und

00:04:11: zwar sich entweder für Europa oder für die USA entschieden haben, also europäische Unternehmen,

00:04:17: die bewusst in Amerika an die Börse gegangen sind, wir haben mit Investmentbanken gesprochen,

00:04:22: wir haben mit Investoren gesprochen, mit Private Equity Firmen zum Beispiel auch, mit den Börsenbetreibern

00:04:28: selbst gesprochen, mit Indexanbietern und um möglichst breites Bild auch zu bekommen über

00:04:34: die aktuelle Situation und welche Veränderungsbedarfe es gibt und dadurch haben wir aus unserer

00:04:42: Sicht ein sehr rundes Bild bekommen, was notwendig ist, um auch die Situation in Europa zu verbessern.

00:04:48: Aktuell gibt es ja, wie wir schon gesagt haben, einige globale Unsicherheiten, diese können

00:04:54: aber auch eine Chance sein, schreiben Sie, warum?

00:04:57: Ja, Veränderungen, Unsicherheiten haben ja immer auch zwei Seiten einer Medaille, die

00:05:04: Welt ist in der Tat momentan im Aufruhr, keinen Tag vergeht, ohne dass man neue Nachrichten

00:05:10: zu kriegen, Handelskonflikten, Zöllen oder geopolitischen Spannungen erhält und wir

00:05:16: haben durchaus gesehen, dass insbesondere in Amerika die große Volalität der US-Wirtschaftspolitik,

00:05:23: die Handelspolitik, Investoren verunsichert und dass das Interesse an Europa wieder deutlich

00:05:28: stärker zugenommen hat, als das noch vor neun bis zwölf Monaten der Fall gewesen ist.

00:05:34: Europa ist sozusagen auch, wenn man das vielleicht nicht allgemein so wahrnimmt, ein relativer

00:05:39: Profiteur dieser ganzen Volatilitäten als sozusagen Safe Haven, als sichere Hafen, als Stabilitätsanker

00:05:47: und das zeigt sich auch in Börsenkursen, die in Europa ja sehr gut gelaufen sind dieses

00:05:51: Jahr. Der Dachs in Deutschland ist knapp 20 Prozent gestiegen, Österreich der ATX sogar

00:05:56: fast 25 in anderen Märkten auch. Also selbst die Einigung im Zollstreit mit Europa, die

00:06:02: ja mit 15 Prozent zusätzlichen Zöllen vielleicht nicht überall als positiv wahrgenommen wird,

00:06:08: hat den Aktienmärkten zumindest nicht geschadet, die Investoren blicken positiv auf Europa und

00:06:14: deswegen bietet diese zugenommene Unsicherheit in den globalen Märkten, insbesondere in

00:06:19: transatlantischen Beziehungen auch Chancen für Europa. Und die gilt es natürlich jetzt

00:06:23: auch zu nutzen für die Europäer und für die europäischen Unternehmen und Volkswirtschaften.

00:06:28: Ja, von was von dem Potenzial sprechen wir denn da? Welches hätte denn Europa ihrer

00:06:33: Einschätzung nach? Europa hat aus unserer Sicht erhebliche Potenzial, das wir bisher noch lange

00:06:39: nicht nutzen. Wir haben verschiedene Berechnungen in unserer Studie vorgenommen und zeigen da

00:06:44: auch unterschiedliche Maßnahmen auf, wie sich deutlich mehr Kapital und verschiedenen Formen

00:06:48: auch in die Aktienmärkte bringen lässt. Dafür ist allerdings wichtig, dass bestimmte strukturelle

00:06:55: Hürden abgebaut werden. Denn Europa hat heute schon zwar ein großes Potenzial, aber das wird

00:07:02: noch nicht richtig genutzt, kann auch nicht richtig genutzt werden und deswegen geht es darum,

00:07:05: diese strukturellen Parameter noch zu verbessern. Das ist zum einen und das ist der größte

00:07:10: Treiber für die Realisierung dieses Potenzials, ist die stärkere Einbindung von Privatanlegern

00:07:16: und Privatanlegerinnen in den Aktienmarkt. Es müssen bestimmte Marktstruktur-Barrieren

00:07:23: abgebaut werden, um den grenzüberschreitenden Kapitalfluss noch zu vereinfachen. Wir müssen

00:07:29: die europäischen Stärken noch stärker ausspielen und wir müssen natürlich bestimmte Regularien

00:07:36: noch mal vereinfachen und anpassen, um diese Potenziale auch zu heben und mehr Kapital in

00:07:42: die Aktienmärkte zu bringen. Wenn wir jetzt wirklich nach Europa abschließen,

00:07:46: fehlen denn da nicht die entsprechenden Unternehmen am Kapitalmarkt, vor allem im Vergleich zu den

00:07:51: USA? Ja und nein. Und zwar ja, in der Hinsicht, dass wir nicht genug Börsennotierte Unternehmen haben

00:08:00: und auch nicht genügend Unternehmen haben, die an die Börse tatsächlich geben wollen. Wir haben

00:08:06: wenig sogenannte Megacaps, also Unternehmen, die eine Marktkapitalisierung von über 200 Milliarden

00:08:13: US-Dollar oder Euro-Erreichen in den USA gibt es da über 50 in Europa nur 10. Der europäische

00:08:21: Aktienmarkt ist auch wegen der angesprochenen Hürden deutlich weniger attraktiv oder wird

00:08:26: weniger attraktiv wahrgenommen, sowohl aus Unternehmenseite als auch aus Investorenseite und

00:08:33: unsere Studie zeigt auch, dass zwischen 2010 und 2024, also Roddenburg der letzten 15 Jahre jedes

00:08:40: zehnte europäische Unternehmen, das an die Börse gegangen ist, in die USA bewusst gegangen ist,

00:08:46: um einfach diesen tieferen, breiteren Kapitalmarkt für sich zu nutzen umgekehrt, ist das fast

00:08:51: gar nicht der Fall amerikanische Unternehmen, lassen sich nicht in Europa listen, sie lassen sich

00:08:55: bestenfalls zusätzlich noch in Europa listen. Und die Gründe dafür waren laut unseren Interviews

00:09:00: auch recht vielfältig. Die Erwartungen an höhere Unternehmensbewertungen sprechen für die USA,

00:09:07: das gilt insbesondere in bestimmten Branchen, wie Technologie, wie Biotech und teilweise auch in

00:09:14: der Konsumgüterindustrie. Da muss man starken Bezug zum US-Markt haben, aber nicht unbedingt,

00:09:21: wir sehen ja auch viele europäische Technologieunternehmen, die in den USA an den Aktienmarkt

00:09:25: gehen anstatt in Europa. Es wird aber auch ganz klar gesagt, dass die diese größere Tiefe des

00:09:31: Aktienmarkts in den USA Ausschlag geben kann und das fehlt einfach noch in Europa und deswegen haben

00:09:39: wir hier noch erhöhten Bedarf, einfach die Attraktivität auch des Kapitalmarktes für

00:09:43: Unternehmen zu steigern. In diesem Kontext haben wir nämlich auch rausgearbeitet, dass gerade die

00:09:49: größten europäischen Börsengangskandidaten, die in den mit einer Unternehmensbewertung von über

00:09:57: drei Milliarden Euro tendenziell auch eher eine Börsennotierung in den USA anstreben. Da gibt's

00:10:03: ja auch jede Woche eigentlich wieder Beispiele, wo europäische Unternehmen diesen Schritt wagen

00:10:09: wollen. In Großbritannien war es gerade das Fintech-Wise, das diese Strategie gut getan und

00:10:16: gemeldet hat. Dementsprechend müssen wir in Europa schon darauf achten, die Attraktivität hier

00:10:22: auch zu steigern, dass wir solche Unternehmen auch bewegen können, Europa in die Börse zu gehen

00:10:27: und nicht automatisch in den USA. Eine zentrale Erkenntnis Ihrer Studie war ja, dass Europa oder

00:10:33: der europäische Aktienmarkt hinter den Erwartungen zurück bleibt momentan. Welche Rolle spielen denn

00:10:39: die Regulierungen in der EU dabei? Das haben Sie ja vorhin schon kurz erwähnt. Ja, genau. Ich hatte

00:10:44: in der Tat gesagt, wir müssen schauen, dass wir auch Davos sinnvoll und notwendig ist. Regulierungen

00:10:50: vereinfachen. In den letzten Jahren gab es ja schon einige tiefergreifende regulatorische

00:10:56: Veränderungen in der EU und in Großbritannien, zum Beispiel zu Börsenzulassungen, zu Prospekten,

00:11:02: zu Nachhaltigkeitsberichten, zu Markenmissbrauch oder Meldepflichten beim Handel. Natürlich haben

00:11:09: wir auch unsere verschiedenen Interviewpartner noch mal konfrontiert mit diesen Änderungen und

00:11:14: diesen vermeintlichen Verbesserungen. Das erschreckt mir aber allerdings, dass viele dieser

00:11:21: eigentlich positiven Veränderungen in Europa, selbst den Experten, nicht unbedingt vollständig

00:11:26: bekannt waren und selbst wenn sie bekannt waren, nur als bedingt hilfreich angesehen wurden oder

00:11:32: vor allem als dann doch nicht weitgehend genug. Es wurde zwar viel gemacht, aber dann doch nicht

00:11:37: genug und vielleicht auch nicht immer an der richtigen Stelle. Also viel hilft, viel ist dann

00:11:43: doch nicht unbedingt zielführend gewesen, um es mit den Worten eines der versiertesten Interviewpartner,

00:11:50: der viele Börsengänge auch in Europa begleitet hat, nochmal zu sagen, diese Regeln tragen nicht

00:11:55: dazu bei, dass es bald mehr Börsengänge in Europa geben wird. Und das hat zur Folge, dass das Problem

00:12:03: immer noch besteht, dass über verschiedene Länder in Europa hinweg ein ganzer Flickenkeppig von

00:12:08: nationalen Vorschriften besteht und dass wir nicht von einem einheitlichen europäischen Kapitalmarkt

00:12:14: oder Aktienmarkt sprechen können, um den aktuellen Rückenwind dieser globalen Kapitalmärkte für

00:12:22: sich zu nutzen, braucht Europa daher umso dringender Klabe und einheitliche Regeln und sie müssen

00:12:28: da vereinfacht werden, wo sie auch den größten Einfluss auf eine Verbesserung haben. Und in der

00:12:33: Konsequenz ist das dann so, dass der Börsengang für viele Unternehmen in Europa momentan nach wie vor zu

00:12:40: auffällig ist, besonders wenn sie grenzüberschreitend agieren und was fehlt ist dieser klare europäische

00:12:47: Rahmen für Börsengänge, für Prospekte und Informationen für Anlegerinnen und Anleger und

00:12:54: darum geht es dann nicht um weniger Aufsicht notwendigerweise, sondern um klügere Prozesse für

00:13:00: Unternehmen, Investoren und Behörden und Europa muss insgesamt weltweit als ein Standort wahrgenommen

00:13:07: werden, an dem Verlässlichkeit Wachstum ermöglicht und nicht Bürokratie den Aufschwung bremst. Als

00:13:15: eine große Hürde sehen Sie aber auch die fehlende Finanzbildung in Europa. Wo müsste man denn hier

00:13:21: ansetzen, jeder Meinung nach? Das ist ein ganz wichtiges Thema, denn wer nicht informiert ist oder sich

00:13:28: nicht informiert fühlt, der wird auch nicht hinreichend investieren und das hat zur Folge, dass in Europa

00:13:35: auch nur 18 Prozent der EU-Bürgerinnen und Bürger über ein hinreichend großes Finanzwissen

00:13:42: verfügen laut eigener Aussage und das ist ein entscheidender Faktor, warum viele Privathaushalte

00:13:48: in Europa deutlich weniger in Aktien investieren als etwa in den USA. Da haben wir nämlich in den USA

00:13:53: knapp 40 Prozent des Haushaltsvermögens, das schon am Aktienmarkt angelegt wird. Der Anteil in Europa

00:14:00: ist deutlich niedriger insbesondere in den großen Volkswirtschaften.

00:14:03: in Deutschland beispielsweise nur bei 11 Prozent. Österreich ist der erfreulicherweise deutlich

00:14:09: besser unterwegs. Da sind wir ja nach den neuesten Zahlen um fast bei 30 Prozent der Österreicherinnen

00:14:15: und Österreicher, die in irgendeiner Form Aktien halten, also über zwei Millionen Menschen, die

00:14:20: offensichtlich im Bewusstsein dafür haben, dass man auch zur Pension noch selbst vorsorgen und

00:14:26: weitragen muss. Und trotzdem, und das gilt für Österreich genauso für die meisten anderen Länder

00:14:33: Europas, ist die finanzielle Bildung klar ausbauffähig. 74 Prozent der Befragten verschiedener

00:14:40: Studien schätzen ihren Umgang mit Geld zwar positiv ein, aber weniger als die Hälfte und zwar deutlich

00:14:46: weniger als die Hälfte ihr Finanzwissen als gut. Wenn man diese subjektive Bewertung mit einem

00:14:53: Wissenstest vergleicht, kommt daraus, dass über ein Drittel nur die Hälfte der Fragen zur finanziellen

00:14:57: Bildung oder sogar weniger richtig beantworten konnte. Und das zeigt einfach, dass das Thema

00:15:03: Finanzwissen zwar eine wichtige Grundvoraussetzung ist, aber noch deutlich auf und ausgebaut werden

00:15:10: muss. Und da wäre vielleicht sogar ein europawardes Programm nützlich über Online Tools, in

00:15:16: über interaktive Workshops, über öffentliche Veranstaltungen. Es gibt ja verschiedene Wege,

00:15:20: wie man das erreichen kann. Möglicherweise auch die gezielte Förderung von verschiedenen

00:15:26: Finanzbildungs-Apps und die Reichweite und die Wirkung zu erhöhen. Und dementsprechend sind

00:15:31: da verschiedene Maßnahmen. Und da gibt es viele gute Ansätze in Europa schon notwendig, um das

00:15:36: Thema Finanzbildung nochmal deutlich voranzutreiben. Sie schlagen aber nicht nur vor Privatanleger*innen

00:15:44: stärker einzubinden, sondern auch eine Art europäischen Pensionsfonds. Was kann man sich da

00:15:50: darunter vorstellen? Genau, wir haben in der Tat als eines der wichtigsten Themen, das zu einer

00:15:58: Verbesserung in Europa beitragen kann, die Erkenntnis gewonnen, dass deutlich mehr Privatinvestoren

00:16:06: am Aktienmarkt investieren müssen. Und das beste Vehikel dazu ist möglicherweise dann doch eine

00:16:12: Proktur, die es den Investoren und Investoren einfach leichter macht, das zu tun. Wir haben das mal

00:16:19: ein persönliches Vorsorgekonto genannt. Es gibt ja unterschiedliche Begriffe für ähnliche Konzepte,

00:16:23: die am Markt kursieren. Und das wäre, im Prinzip können Sie sich das so vorstellen, eine Art

00:16:30: Pensionsfonds bei dem Arbeitnehmer*innen und Arbeitnehmerautomatischen Teil ihres Gehalts in

00:16:36: so ein persönliches Vorsorgekonto einzahlen oder eingezahlt bekommen, dass vom Arbeitgeber

00:16:42: angeboten wird, das Geld wird langfristig investiert, wird am Aktienmarkt investiert und wird

00:16:46: insbesondere auch zumindest zu einem Teil oder einen großen Teil am europäischen Aktienmarkt

00:16:52: investiert. Und dafür müsste es dann auch gewisse steuerliche Vorteile geben. Wir haben einen sehr,

00:16:57: sehr positiven Effekt bei ähnlichen Instrumenten in den USA. Das sind ja die sogenannten 401K Pläne.

00:17:03: Es gibt auch ähnliche Konstrukte in Schweden und anderen Ländern, die zu einer großen

00:17:08: Beteiligung der breiten Masse der Privatanlegerinnen und Anleger geführt haben. Da sind immer in

00:17:14: gewisser Weise auch steuerliche Vorteile oder andere Subventionen notwendig, um in die

00:17:19: Attraktivität zu erhöhen, um überhaupt die Menschen dazu zu bringen, sich mit dem Thema zu

00:17:24: beschäftigen. In Zahlen gesprochen, das ist vielleicht auch nochmal wichtig und interessant.

00:17:28: Sehen wir eine riesige Chance, wenn sich mehr Menschen in Europa beteiligen und ihr Geld

00:17:34: in den Aktienmarkt investieren. Und das könnte bis zum Jahr 2044, also knapp über die nächsten 20

00:17:42: Jahre, bis zu 9,5 Millionen Euro, das ist eine Riesenzahl, 9.500 Milliarden Euro insgesamt,

00:17:51: dazu beitragen, dass wir die zusätzlich in den Aktienmarkt bringen. Und das hätte natürlich

00:17:57: schon einen substanziellen Effekt, wenn man sich das runtergebrochen auch auf einzelne Länder

00:18:02: vorstellt. Wir haben das sehr granular auch modelliert. Ist das in Österreich beispielsweise

00:18:08: auch ein Potenzial, je nach Szenario, wir haben verschiedene Szenarien gerechnet, nachdem wie

00:18:13: groß dann auch die Annahmebereitschaft der Bevölkerung für so ein Thema ist, wie groß

00:18:17: dann möglicherweise auch staatliche Unterstützung dafür sind, sind das so zwischen 120 und bis

00:18:22: zu 280 Milliarden Euro, die in diesen Aktienmarkt in Österreich alleine nochmal reinfließen können.

00:18:27: Also schon eine große Zahl. Aktuell herrscht ja in Österreich und in der EU insgesamt eher Sparkurs

00:18:35: als Investitionslaune. Würden Sie sagen, ist jetzt überhaupt der passende Zeitpunkt für so ein Vorhaben?

00:18:41: Absolut, aus zwei Gründen. Zum einen, weil natürlich vor dem Hintergrund der Reformbedürftigkeit

00:18:49: vieler Pensions- und Rentensysteme in Europa Handlungsbedarf besteht. Vor oder später werden

00:18:57: das die einzelnen Länder, die es noch nicht angepackt haben, tun müssen, allein schon aufgrund

00:19:01: der sich verschärfenden demografischen Entwicklung. Und gleichzeitig sehe ich aber auch, dass die

00:19:07: Notwendigkeit nochmal substanziell zu investieren, ja auch vielfach erkannt wurde, sowohl auf EU-Ebene

00:19:13: als auch in den einzelnen Ländern. Sie haben vielleicht noch vor Augen, dass in Deutschland

00:19:17: gerade kürzlich erst die Schuldenbremse quasi aufgehoben wurde, 500 Milliarden werden jetzt

00:19:25: zusätzlich in die Infrastruktur und Klimaneutralität investiert, plus zusätzlich noch mal eine

00:19:30: ähnliche Größenordnung auf Verteidigungsausgaben. Von der Politik gibt es auch auf europäischer

00:19:36: Ebene klaren Rückenbind. Die EU-Kommission verfolgt ja auch mit der so genannten Savings

00:19:42: and Investment Union das Ziel, private Ersparnisse besser in Investitionen umzulenken, ob das nun

00:19:49: am Aktienmarkt ist, ob das in Infrastrukturthemen geht, gibt ja viele Möglichkeiten. Und dadurch

00:19:55: werden die Initialen Überlegungen auch der so genannten Kapitalmarktunion natürlich weiter

00:20:00: verfolgt und das ganze EU-Finanzsystem soll harmonisiert werden von Sparen bis hin zur

00:20:06: Finanzierung von Unternehmen und das Ziel ist damit, in der Tat Privatpersonen, privaten

00:20:11: Haushalten bessere Renditen durch Anlageprodukte und steuerliche Anreize zu ermöglichen. Gleichzeitig

00:20:18: sollen dadurch auch Mittel für Unternehmen mobilisiert werden, um digitale, grüne, auch

00:20:25: soziale Transformationen zu unterstützen. Also die Zeit ist aus unserer Sicht gar nicht so

00:20:30: schlecht und manchmal hilft ja vielleicht auch der ein oder andere Druck von außen, um Veränderungen

00:20:36: schneller voranzutreiben. Sie haben ja vorhin schon Schweden als ein Beispiel genannt für ein Land,

00:20:42: das eben auf so ein ähnliches Pensionsmodell setzt. Wie unterscheidet sich das denn aktuell zu

00:20:47: den Systemen, die es in Österreich oder auch in Deutschland etabliert sind und inwiefern

00:20:53: werde das dann eben auch vielleicht eine Chance für das Pensionssystem? Also Schweden ist ein

00:20:58: echtes Vorbild für uns, wenn es darum geht, Bürgerinnen und Bürger aktiv am Kapitalmarkt

00:21:05: zu beteiligen. Es zeigt, dass nicht alle Europäer per se risikoavers sind, wie das so oft behauptet

00:21:12: wird und anders als vielleicht bei uns in Österreich oder auch in Deutschland, wo die Altersvorsorge

00:21:18: stark auf umlagenfinanzierte Systeme setzt, hat Schweden schon früh auf Aktienbeteiligung und

00:21:25: auch aufgezielte Anreize gesetzt. In den 70er und 80er Jahren wurde da schon die Einführung von

00:21:35: Programmen beschlossen, die Spanienaktien steuerlich attraktiv machen und das mit großem Erfolg. Die

00:21:41: Anzahl der Anlegerinnen und Anleger vervielfachte sich innerhalb weniger Jahre. Ein besonders

00:21:48: erfolgreiches Modell ist das sogenannte ISK-Konto, das schon vor 12, 13 Jahren eingeführt wurde,

00:21:54: 2012 war das, glaube ich, ungefähr und das erlaubt Privatanlegern in Aktien und Fonds zu

00:22:00: investieren, ohne dass dann einzelne Kurssteigerungen oder Dividenden schon versteuert werden müssen,

00:22:05: stattdessen wird dann einmal im Jahr pauschal eine kleinere Summe ans Finanz empfällig. Das macht

00:22:11: aber investieren nicht nur steuerlich, vorteilhaft, sondern auch extrem einfach, nutzbar und diese

00:22:15: Kombination ist aus unserer Sicht auch wichtig. Das muss einfach sein, das muss praktikabel sein

00:22:21: und es muss irgendwo auch attraktiver gemacht werden, um halt zusätzliche Anreize zu kreieren,

00:22:28: um da stärker zu investieren. Das haben die Schweden sehr, sehr gut gemacht und der Erfolg

00:22:32: gibt ihnen auch unserer Ansicht nach. Jetzt haben Sie ja schon gesagt, dass es so einen Bedürfnis nach

00:22:37: Risiko-Aversion gibt, dass es jetzt nicht nur in Europa oder nicht überall in Europa gibt, aber

00:22:42: eben vor allem in Deutschland und in Österreich zum Beispiel, weil es ja ein Bedürfnis nach

00:22:46: Sicherheit ist. Würden Sie sagen, dass das ein Kontrast ist oder steht das im Gegensatz zu dem,

00:22:51: was Sie jetzt vorgeschlagen haben? Ich glaube nicht, dass das im Gegensatz steht zu dem,

00:22:55: was wir vorgeschlagen haben. Das hat ja auch ein bisschen was mit dem Thema Finanzbildung zu

00:22:59: tun. Man muss wahrscheinlich auch Ängste abbauen und Ängste kann man am besten abbauen, indem

00:23:05: man Transparenz schafft, indem man Klarheit schafft und eben nicht das, was man teilweise in Europa

00:23:10: macht, dass man versucht, über im Endeffekt dann doch sehr teure Lösungen künstlich Sicherheitsnetze

00:23:15: wieder zu schaffen. Da gibt es ja auch viele Finanzprodukte, die dann irgendwo staatlich

00:23:20: subventioniert sind, aber über drei Sicherheitsnetze und doppelten Boden wiederum so unattraktiv

00:23:26: werden, dass der eigentliche Zweck, den man damit verfolgen wollte, gar nicht erreicht wurde.

00:23:31: Und deswegen kommen aus unserer Sicht natürlich hier ein paar Punkte zusammen, das Thema Finanzbildung

00:23:38: voranzutreiben, Produkte zu kreieren, die einfach sind, klar strukturiert sind, die die richtigen

00:23:44: Anreize setzen, die natürlich in gewisser Weise subventioniert sind. Und wenn man dann mehr und

00:23:50: mehr Menschen auch in diese Modelle reinbringt und vor allem man muss ja auch langfristig denken,

00:23:55: wenn es ums Thema Pension geht, sind das langfristige Investments, die auch Überschwankungen hier und

00:24:01: da im Tagesgeschäft erhaben sein müssen, dann werden auch immer mehr Menschen dann den Wert

00:24:06: davon erkennen, werden auch vielleicht nicht gleich nervös, wenn der ein oder andere Großmahl

00:24:10: fällt. Und das zeigt ja auch ganz deutlich die Erfahrung in solchen Beispielen wie Schweden,

00:24:16: wie in den USA, teilweise gibt es auch nicht erlösungen in Italien und Frankreich in Ansätzen,

00:24:21: dass das gut funktionieren kann. Und was hätten wir als Bürger*innen denn davon, wenn wir mehr in

00:24:27: Europa bzw. europäische Firmen investieren würden? Also in gut funktionierender Kapitalmarkt in Europa,

00:24:34: gut funktionierende Aktienmärkte, an denen möglichst viele Menschen teilnehmen, hilft ja

00:24:40: gleich mehrfach. Denn einerseits adressieren wir das Thema Pension und Rente, wir ergänzen die

00:24:48: umlagenfinanzierten Systeme mit irgendeiner Form von kapitalgedeckten Lösungen, Vorsorge wird

00:24:54: besser betrieben. Das heißt, die Anleger profitieren davon. Und gleichzeitig stellen wir so dadurch

00:25:00: natürlich auch insbesondere europäischen Unternehmen mehr Kapital für Wachstuben,

00:25:05: für Wirtschaftlichkeit, für Produktivität zur Verfügung. Kapital bleibt dadurch in Europa,

00:25:11: das ist ganz wichtig. Das bringt uns ja nichts, wenn wir Programme aufsetzen und Subventionen geben,

00:25:16: in den Aktienmarkt zu investieren und alle Investoren kaufen dann nur große amerikanische

00:25:21: Technologi-Aktien. Wir müssen ja auch schon sicherstellen, dass das am europäischen Aktienmarkt,

00:25:26: in die vielen, vielen attraktiven Unternehmen, die wir auch hier haben, investiert wird. Damit

00:25:32: fördern wir natürlich auch als Investoren Innovationen, wir fördern Netbewerbsfähigkeit in Europa und

00:25:38: wir sichern oder schaffen möglicherweise sogar neue Arbeitsplätze. Deswegen ist sowohl den

00:25:43: Investoren*innen und Investoren damit geholfen, aber auch der europäischen Wirtschaft. Und das

00:25:49: trägt natürlich auch dazu bei, den europäischen Wirtschaftsraum insgesamt zu stärken, uns

00:25:55: unabhängiger zu machen, uns auch robuster gegenüber globalen Krisen aufzustellen und die

00:26:01: Abhängigkeit von anderen, insbesondere auch von den US-Kapitalmärkten, auch von US-Investoren

00:26:08: zu reduzieren. Und das ist aus unserer Sicht ein ganz wichtiger Punkt. Was wäre da denn abschließend,

00:26:14: gerade in der Einschätzung nach der wichtigste Schritt, um in diese Richtung zu gehen?

00:26:18: Also der wichtigste Schritt ist, die insgesamt mehr Volumen über die Beteiligung von Privatinvestoren

00:26:28: in irgendeiner Form sicherzustellen. Das ist der mit Abstand größte Hebel. Wir haben

00:26:34: ganz viele unterschiedliche strukturelle Hebel auch untersucht, aber der Kerntreiber ist,

00:26:38: wie bringe ich mehr private Investoren an den Kapitalmarkt, an den Aktienmarkt? Alles andere

00:26:44: Änderungen von Regulierungen, Vereinfachungen, von Rahmenbedingungen und so weiter. Das ist

00:26:50: hilfreich. Aber der große Hebel liegt darin, mehr Menschen mit einem positiven Spirit sozusagen

00:26:59: an den Aktienmarkt zu bringen und dafür aber auch die entsprechenden Strukturen, Rahmenbedingungen,

00:27:04: Produkte, Anreize auch zu schaffen. Und da haben sicherlich viele Länder in Europa noch ein paar

00:27:10: Hausaufgaben zu tun. Vielen Dank für das Gespräch und den spannenden Einblick. Danke Ihnen für

00:27:16: die Einladung. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die aktuellen Herausforderungen am

00:27:22: Aktienmarkt auch eine Chance sein können, vor allem den Blick stärker auf Europa zu richten.

00:27:28: Auch an euch vielen Dank fürs Zuhören. Das war "Lohnt sich das?" der Standard Podcast über Geld.

00:27:35: Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst uns gerne eine gute Bewertung da oder teilt sie

00:27:40: mit jemandem, der oder die mehr über Europa und den Aktienmarkt wissen sollte. Feedback und

00:27:46: Fragen schickt ihr uns am besten an podcast@derStandard.at. Diese Folge wurde produziert von

00:27:52: Christoph Neuwert. Ich bin Annika Dangen. Ciao und bis zum nächsten Mal.